Der Entwurf für den ländlichen Standort Sulzberg ist von Einfachheit und Selbstverständlichkeit geprägt. Das Motto: „As found – so wie vorgefunden“. Auch wenn der Neubau eine wichtige strategische Ergänzung des Wohnungsangebot im Hinblick auf kleinere und barrierefreie Wohnungen darstellt, ist das Gebäude eine Fortschreibung der städtebaulichen und architektonischen Bautradition der Region: Ein einfaches Volumen mit Satteldach und ortsüblicher Dachneigung, vorgelagerte Freibereiche, Balkone und auskragende Dächer, wie sie beliebte Motive traditioneller Häuser im Allgäu sind. Auch sichtbare Holzkonstruktionen – meist in Form von traditionellen Fachwerkhäusern – prägen vielerorts das Dorfbild. An diese Traditionen knüpft der Entwurf an und schreibt diese fort.
Die im Hinblick auf Landverbrauch und Wirtschaftlichkeit sinnvolle Zielsetzung, auf dem Grundstück 20 Wohneinheiten unterzubringen, führt zu einem größeren Gebäudevolumen. Auch diese Maßstäblichkeit findet sich in der direkten Umgebung in Ried bei Sulzberg in Form von größeren Bauernhöfen mit Anbauten und komplexer Volumetrie. Der vorliegende Entwurf differenziert das Gebäudevolumen durch eine subtile Geste: An der Stelle, an der ein Fußweg durch das Gebäude geführt wird, werden die Baukörper gegeneinander versetzt. So wird eine Fuge ausgebildet: Der Baukörper öffnet sich und wird auf die Geschoßdecken und ein Dach reduziert, bei denen die Dachziegel durch gläserne Dachsteine ersetzt sind. So wird auch der Durchgang durch das Gebäude klar ablesbar. Die Grundform des so gegliederten Baukörpers fügt sich mit vielfältigen unterschiedlichen Raumbeziehungen, Teilräumen und Maßstäbe der Dorfstruktur in den heterogenen Kontext ein.
Durch den Versatz der Baukörper entsteht ein Vorplatz im besonnten Süden des Gebäudes, der durch eine subtile Höhenstaffelung etwas höher als die Kreuzung und die Straße liegt, gleichzeitig etwas unterhalb der Balkone der Wohnungen. Dieser Vorplatz ist der öffentliche Raum der Wohnanlage, der vielfältig genutzt werden kann und der die Schnittstelle zwischen Dorf und Gebäude bildet. Auf diese Fläche hin orientiert sich auch der Gemeinschaftsraum. Er wird mit einer einfachen, wassergebundenen Wegedecke befestigt. Zwei Honigeschen (auch Bienenbaum, Euodia hupehensis) werden an seinem südlichen Rand gepflanzt, die im Sommer Schatten spenden, deren Wuchshöhe jedoch mit 10m keine
Verschattung für die Photovoltaik bedeutet. Auf der anderen Seite des Gebäudes findet sich ein privaterer Garten, der von den Bewohner:innen in einzelnen Parzellen bewirtschaftet, genutzt und gestaltet wird. Die Parzellen sind locker durch eine Reihe von Feldsteinen eingefasst und können nach Interesse und Nutzung auch vergrößert oder verkleinert werden. Die Bewohner:innen können diese als kleine Zier- oder Nutzgärten anlegen.
Die Wohnungen haben eine klare Zonierung in die Nebennutzungen: Bäder, Küchen, Eingangsbereich, die am Laubengang liegen, und Wohnräumen, die sich nach Süden zu den Balkonen hin öffnen. Das Grundraster, das die Größe der Zimmer bestimmt, ist so gewählt, das nutzungsneutrale, großzügige Wohnräume entstehen. Diese lassen sich im Wohnungsmix organisieren, aber auch leicht in der Zusammensetzung verändern, wenn sich im Laufe der Planung oder später neue Anforderungen ergeben. Die Erschließung aller Wohnungen wird barrierefrei über einen Laubengang gewährleistet, der auf der Nordseite des Gebäudes liegt.
Konstruktive Nachhaltigkeit: Holzrahmenbau und Strohballen-Dämmung. Das Gebäude ist als vorgefertigter, elementierter Holzbau konzipiert, bei dem die Wände, Decken und Dachelemente komplett ausgebaut mit Fassaden, Türen und Fenstern angeliefert werden, was Kosten und Bauzeit reduziert und gleichzeitig die Qualitätssicherung erleichtert. Das Tragwerk ist ein effizienter Holz-Rahmenbau mit Stützen und Unterzügen. Die Gefache der Außenwände und des Dachs werden mit einer Dämmung aus Strohballen isoliert. Stroh ist ein regional verfügbarer, jährlich nachwachsender ökologischer Baustoff. Bei der Getreideernte fallen Strohballen sozusagen als ‚Abfallprodukt‘ an und sind entsprechend kostengünstig. Mit Stroh lassen sich behagliche, hochwärmegedämmte, umweltfreundliche Gebäude erstellen. Die Bauweise basiert auf lokal verfügbaren Techniken und Materialien. Die Wandtafel als Holzrahmenbau mit integrierten Stützen, Trägern und Balken-Deckenelemente kann jede Zimmerei, die über eine kleine Halle verfügt, herstellen und montieren. Die Größe der Elemente sind für die Fertigung und den Transport optimiert, so dass ein schneller Baufortschritt vor Ort garantiert werden kann. Auch Elemente lassen sich mit fertigen Oberflächen, Fenstern und Türen planen und ausführen, so dass ein Vorfertigungsgrad von mehr als 60% erreicht wird.
Bearbeitungszeitraum:
2024
Fläche:
2.565 qm
Landschaftsarchitektur:
DGJ Paysages sàrl
Auslober:
Markt Sulzberg
Verfahren:
Realisierungswettbewerb